Analytische Philosophie, Wissenschaftstheorie, Logik
Die Hauptaufgabe des Philosophierens ist das untersuchende und überprüfende Zurückblicken auf das, wie beim eigenen Erkennen und Tun gehandelt worden ist, und dies mit dem Ziel, das künftige Erkennen und Handeln in autonomer Weise zu gestalten.
Die Theoretische Philosophie befasst sich dabei vorwiegend – wenngleich naturgemäß nicht ausschließlich – mit dem Ergründen der Bedingungen und der Voraussetzungen jener Betätigungen, die zu einem Wissen – d.h. zu einer begründeten Vermutung hinsichtlich jener Zusammenhänge führen: hier von Zusammenhängen, die nicht auf solche Zielsetzungen bezogen sind, die das Wohlergehen der Lebewesen betreffen; und die Praktische Philosophie befasst sich demnach – gleichfalls vorwiegend, aber nicht ausschließlich – mit der Ergründung der Bedingungen und der Voraussetzungen jener Betätigungen, die sich wesentlich auf derartige Zielsetzungen beziehen.
Die Analytische Philosophie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie jegliches Philosophieren mit dem rationalen Analysieren des in den Wissenschaften und im Alltag Vorgegebenen beginnt: Sie bleibt dabei aber nicht auf diesem Vorgegebenen stehen; vielmehr versucht sie, dieses mit den Mitteln des auf der Logik gründenden Argumentierens zu säubern und zu klären, kurz: es in rationaler Weise zu rekonstruieren und dabei die Möglichkeiten wie auch die Grenzen des solcherart Rekonstruierten aufzuweisen. Aber sie zaubert nicht in fundamentalistischer Weise quasi aus dem Nichts angebliche ewige Wahrheiten hervor; vielmehr bezieht sie sich in ihrem Arbeiten auf die Lebenswelten des Alltags und der Wissenschaften. Sie bezieht sich auf diese Lebenswelt, ohne allerdings an ihr und an ihren Veränderungen zu kleben und somit frei davon, an sie gefesselt zu sein: Das Verändern des dem Philosophieren als Inhalt Vorgegebenem gehört zu den der Analytischen Philosophie eigentümlichen Merkmalen.
In der Analytischen Philosophie werden dabei auch ihre eigenen Vorgaben der Analyse und der durch sie nahegelegten Rekonstruktion unterzogen, nämlich: die hierzu benützten Vorgehensweisen und die dabei eingesetzten intellektuellen Mittel. Im Fall des wahrheitserhaltenden Schließens führt dies zu Erstellen einer – nicht: der! – deduktiven Logik, nämlich eines Systems von Regeln eben dieses wahrheitserhaltenden Schließens; und im Fall des wahrheitserweiternden Schließens führt dies zu einer – auch und vor allem hier nicht: der! – induktiven Logik, nämlich eines Systems von Regeln des wahrheitserweiternden Schließens. In beiden Fällen erstellt ein solchem Analysieren verpflichtetes Philosophieren die Bedingungen der Möglichkeit solchen rationalen Argumentierens, indem es den Bereich der Anwendbarkeit dieser Regeln samt den Voraussetzungen dieses Anwendens sowie die jeweiligen Grenzen dieses Bereichs ermittelt.
Von einem abgrundtiefen Graben zwischen alltäglicher und erfahrungswissenschaftlicher Gewinnung von Erkenntnissen wird in der Analytischen Philosophie nicht ausgegangen; im Gegenteil: Im Zurückblicken auf die Weise, in der sich die Wissenschaften aus dem alltäglichen Wissen durch zunehmende Spezialisierung herausentwickelt haben, wird diese letztliche Verbindung auch der abstraktesten Theorien zur Lebenswelt nie – oder jedenfalls nie gänzlich – aus dem Blick verloren. Daher werden dann auch die Ergebnisse, die in der Wissenschaftsphilosophie – mit einem anderen Wort: in der Wissenschaftstheorie – erzielt worden sind und weiterhin erzielt werden, in wohlbegründeter Weise als Ausgangspunkt und als Richtlinien der Erkenntnisphilosophie – der Erkenntnistheorie – genommen.
Drei Hauptbereiche des Arbeitens kennzeichnen die gegenwärtige Wissenschaftstheorie hinsichtlich der philosophisch untersuchten Gebiete der Wissensermittlung, nämlich: deren Methodologie, deren Métaphysik, deren Epistemologie.
Die Methodologie untersucht die Vorgehensweisen bei der Wissensermittlung und die dabei eingesetzten intellektuellen Mittel. In den Erfahrungswissenschaften sind dies im deduktiven Fall – natürlich neben der Logik – nach wie vor in erster Linie die Arithmetik und die Geometrie: Mit den Mitteln einer hierzu geeignet gewählten Logik wird untersucht und – als dessen Ergebnis – ermittelt, von welcher Art der Geltungsanspruch dieser intellektuellen Mittel bei ihrem jeweiligen Gebrauch der erfahrungswissenschaftlichen Wissensgewinnung ist. Wie in diesen Fällen des Untersuchens von deduktiven Werkzeugen ist auch in den Fällen von verwendeten Mittel induktiver Art, wie diese in der mathematischen Wahrscheinlichkeitslehre sowie in der Statistik dargestellt werden, ihre Voraussetzungshaftigkeit und ihr Geltungsbereich zu ermitteln.
Die – gemäß Kant's Wortgebrauch – von der Metaphysík grundverschiedene Métaphysik analysiert und rekonstruiert die Systematisierungen solcher alltäglicher wie auch wissenschaftlicher Erfahrungen mit den Mitteln einer hierfür geeignet gewählten Logik; insbesondere die Theorien, die das Wahrnehmen und Messen beschreiben, analysiert und rekonstruiert sie hierzu mit Blick auf Kriterien wie: Widerspruchsfreiheit, Vollständigkeit, Eindeutigkeit.
Die Epistemologie hingegen hat nicht die Vervollständigung solcher Theorien im Blick, sondern richten ihr Augenmerk auf die jeweils minimalen – auf die unumgänglichen – Voraussetzungen, die im Anwenden solcher Theorien des angeborenen wie auch des technisch erstellten Wahrnehmens und Messens vonnöten sind: erforderlich, um dadurch verlässliche Daten zu erhalten, mit denen Theorien gestützt werden können.
Der Aufgabenbereich und die Vorgehensweise der Praktischen Philosophie ist von einer Art, die die Ergebnisse der Theoretischen Philosophie mit einbezieht, dabei aber naturgemäß über diese hinausgeht. Ihr Bezug zu den Lebenswelten der Lebewesen ist dabei von unmittelbarer Art und braucht nicht erst durch detaillierte epistemologische Ketten von Untersuchungen ermittelt zu werden. Die Vielfalt des mit diesen Lebenswelten einhergehenden Facettenreichtums von Zielsetzungen hat eine entsprechend große Vielfalt von zu bewältigenden schwierigen und zugleich wichtigen Aufgaben des philosophischen Arbeitens zur Auswirkung; und daher ist ein Abschluss dieses Arbeitens nach wie vor nicht abzusehen.